Seite 408

Der Brautwalzer

ein Tanz für Verliebte

Bandleader und Dirigenten der großen Tanzorchester bestätigen es: ein Ball ohne Wiener Walzer undenkbar. Er krönt nach wie vor jede glanzvolle Tanzveranstaltung. Als der Eröffnungstanz einer Hochzeitsfeier ist der Braut Walzer seit Generationen beliebt. Doch nicht jeder Bräutigam ist ein Walzerkönig, und nicht jede Braut beherrscht die Schritte bombensicher. Viele Brautpaare entscheiden sich deshalb vor der Hochzeit noch zu einem Kurs für Brautpaare und Hochzeitsgäste, in dem speziell der Walzer trainiert wird. Ganz Eilige können selbstverständlich auch Privatstunden besuchen. So befinden Sie sich am Hochzeitstag auf sicherem Parkett, wenn es heißt, vor aller Augen den Brautwalzer zu tanzen.

Und hier noch ein paar Worte zur Geschichte des Walzers
1883 gab Auguste Renoir seinem berühmten Monumentalgemälde den bezeichnen Titel "Tanz in der Stadt". Zum ersten Mal wurde ein Paar in Tanzhaltung abgebildet. Und um diese Zeit tauchte auch der Walzer auf, deren atemberaubendes Tempo die Ballsäle erobert. Auch wenn er Jahrhunderte vorher schon im Volkstanz bekannt war, gaben ihm erst die unsterblichen Melodien von Strauß, Lanner und Weber den letzten Schliff und brachten ihn an die Höfe von London bis Petersburg.

Das war im Jahre 1815, als "der Kongress tanzte" und sich Metternich mit Talleyrand zu diplomatischen Gesprächen zurückzog. Die europäischen Herrscherhäuser wollten auf dem Wiener Kongreß alte Hierarchien festschreiben. Doch der Kongreß zog es vor zu tanzen. Und als er schließlich durch Napoleons Flucht von Elba ein jähes Ende fand, nahmen die Diplomaten die unsterblichen Melodien des Wiener Walzers und seine schwingenden Tanzbewegungen als Reisepräsident mit in ihre Heimat. Ein neues Lebensgefühl hatte sich durchgesetzt - der Walzer besiegt die Politik.

Es war von jeher der "Deutsche Tanz". Angesiedelt in Süddeutschland und Österreich, tanzte ihn das Volk zwischen Neckar und Donau als Langaus, Plattler, Ländler, Schleifer und Deutscher. Als sich die großen Komponisten Strauß, Lanner und Weber das Walzers annahmen, wurde er zu einer Wiener Spezialität - und damit hoffähig. Die Menschen im 19. Jahrhundert waren begeistert und berauscht. Sie suchten die ungebundene Bewegung. Der Walzer schuf somit ein neues, bis dahin nie gekanntes Lebensgefühlt. Herz und Leidenschaft kamen zu Ihrem Recht. Heute ist das klassische Tanzbuch längst vergessen, in dem die Verfasser gegen den Walzer wetterten, weil "in keiner anständigen Gesellschaft geduldet werden könne, daß ein Herr die Dame an die Taille fasse und sie an sich drücke...".

Dennoch gab es in unserem Jahrhundert Rückschläge. Aber der Walzer ging in seiner österreichisch-bayerischen Heimat auf Wartenposition. In den zwanziger Jahren waren es die "Roary Twenties", die ihm schwer zu schaffen machten. Der Jazz und schwarze Rhythmen eroberten die Tanzfläche und bedrängten ihn. Aber nicht lange. Walzermelodien sind halt unsterblich. Und so gab es immer wieder ein Comeback.

Zum Neubeginn 1945 war es schließlich der mehrfache deutsche Meister der Professionals, Paul Krebs aus Nürnberg, der zusammen mit österreichischen Tanzlehrern die Choreographie des Walzers modernisiert. Er war dann auch der erste, der den Engländer 1951 in London den Turnierwalzer vorstellte und durch seinen Unterricht und eine Demonstration in vielen anderen Ländern dem Wiener Walzer zu einer modernen Renaissance verhalf.

Heute kann man ohne Übertreibungen sagen: der Walzer ist seit 180 Jahren jung geblieben. Die herrlichen Demonstrationen auf dem Wiener Opernball sind unschlagbar optischer Beweis. Auch in den Tanzschulen ist es für die Teilnehmer jedes Mal ein ganz besonderes Erlebnis, wenn ihnen die ersten Walzer-Drehungen gelingen. Im Dreivierteltakt tanzen, das bedeutet Gleichklang zweier Menschen in Harmonie. Schwebend, leicht und anmutig - eben im unsterblichen Walzertakt.

Ù