Seite 624

Adams Lebenslauf

Eigentlich wollte ich heute gar nicht kommen. Ich habe mich so über mich geärgert, daß ich mich habe sitzen lassen und bin gegangen. Unterwegs habe ich nochmals angerufen, aber da war ich nicht mehr da.

Als ich vor 30 Jahren geboren wurde, war ich noch sehr jung. Meine Eltern waren auf dem Feld Kartoffeln holen. Es war zwar nicht unser Feld, aber wir holten dort immer unsere Kartoffeln.

Jetzt sitzt mein Vater im Gefängnis wegen seines Glaubens. Er glaubte seine Miete nicht zahlen zu müssen.

Ich war nicht alle Kinder. Wir waren zu Hause 20 Geschwister: 10 Jungen, 9 Mädchen und ein Blindgänger.

Wir schliefen alle in einem Zimmer mit Gasmaske.Das Handtuch stand hinter der Tür. Da war nur ein Bett. So war es mit dem Schlafen meist schwierig. Das 1. Kind wurde ins Bett gelegt, und wenn es eingeschlafen war, wieder herausgenommen und an die Wand gestellt. Dann kam das nächste an die Reihe.

Nur mit dem Wecken war es sehr schlecht. Ich bin einmal 10 Tage stehen geblieben - und es ist gar nicht aufgefallen.

Wir waren eine sehr musikalische Familie. Meine Mutter nähte auf einer Singer-Nähmaschine. Mein Vater, Tischeträger bei der Union-Transport-Betrieb und sitzt jetzt in Sing-Sing. Einer meiner Brüder war Sänger. Er sank immer tiefer. Jetzt brummt er schon 2 Jahre. Am musikalischsten war meine Schwester. Sie ging schon bei der Geburt flöten.

Wir waren auch eine sehr intelligente Familie. Einer meiner Brüder ist auf der Universität in Heidelberg. Er steht dort in Spiritus, weil er 2 Köpfe hat. Ein weiterer Bruder ist Verwandlungskünstler. Der geht in einem alten Mantel ins Café und kommt mit einem neuen wieder raus. Ein anderer ist Klempner. Was er am Tage klemmt - wird am Abend verlötet.

Wir Jungen heißen alle Emil - bis auf Fritz, der heißt Paul. Wir rufen ihn aber immer alle Otto.

Meine Schwestern waren alle sehr dünn. Die eine mußte zweimal ins Zimmer kommen, damit man sie überhaupt sah. Eine hatte Zwillinge bekommen, die sahen sich alle sehr ähnlich - besonders der eine.

Als ich 6 Jahre alt war, kam ich in die Schule. Ich war immer der Liebling der Lehrer. Verschiedene Klassen durfte ich 2x besuchen. Einmal wurde ich in der Biologiestunde gefragt: "Welchen Beruf hatte Goethe im Urfaust?" Ich antwortete: "Damenschneider". "Warum?" fragte der Lehrer. "Ja", sagte ich, "als er in das Zimmer von Gretchen trat, sagte er: "Hier möchte ich säumen!" 

Ein andermal in der Rechenstunde. "Wenn ihr beim Bäcker 15,- DM, beim Fleischer 15,- DM und beim Kaufmann 120,- DM Schulden habt, wieviel habt ihr dann zusammen?" "Das weiß ich nicht, dann ziehen wir meistens um!" 

Brachten wir gute Zeugnisse nach Hause, gab es einen Groschen für die Sparbüchse. Hatten wir schlechte Zeugnisse, bekamen wir mit dem Ausklopfer Haue. War die Sparbüchse voll, wurde ein neuer Ausklopfer gekauft.

Später kam ich zu einem Schmied in die Lehre. Er gab mir einen Hammer in die Hand und sagte: "Wenn ich mit dem Kopf nicke, schlägst du zu." Er nickte nie wieder.

Dann wurde ich Vertreter. Mein Chef war sehr neugierig und fragte mich was vorher gewesen sei. Ich sagte ihm: "Ich habe den Ölsardinen die Augen zugedrückt bevor sie in die Büchse kamen." Das glaubte er mir nicht.

Und außerdem fiel ihm auf, daß ich eine sehr langsame Aussprache hätte und er fragte mich, ob ich überhaupt etwas schnell könnte und ich antwortete: "Ja, ich werde sehr schnell müde." Und das ist bis heute so geblieben.

Ù